Junge Fotografie im Schloss Ritzebüttel

"Fotografie = Abenteuer!" - mit Arbeiten von Ina Hengstler, Christian Retschlag, Erik Arkadi Seth und Lena Oehmsen

vom 19. April - 28. Juni 2015 im Schloss Ritzebüttel in Cuxhaven

Das ausgeschriebene Thema für die fünfte Ausstellung der Reihe Junge Fotografie im Schloss war „Abenteuer“. Eigentlich. Denn nach Durchsicht der eingegangenen Unterlagen stellte sich heraus, dass kein Bewerber das Thema so umgesetzt hat, wie man sich gemeinhin Abenteuerfotos vorstellt mit Menschen beim Fallschirmspringen, Rafting oder Tauchen. Stattdessen ist etwas viel spannenderes passiert, das unter dem Motto „Fotografie = Abenteuer!“ zusammengefasst werden kann und zeigt, wie junge Künstler mit dem Medium Fotografie arbeiten.

Ina Hengstler, „Feldforschung (Kristall)“, 2014
Ina Hengstler, „Feldforschung (Kristall)“, 2014

Die Fotografie, die in ihren Anfangszeiten ein technisches Handwerk ohne eigenen künstlerischen Anspruch war, diente den Museen als Archivierungsmaterial. Und noch heute ist das Foto ein wichtiges Präsentationsmedium des Archivs, bei dem dreidimensionale Objekte ins Zweidimensionale überführt werden. Ina Hengstler (*1988) ist eine passionierte Sammlerin und archiviert akribisch das Gesehene. Naturobjekte wie Blüten, Steine und Krebse werden Kontext entbunden vor einem neutralen Hintergrund fotografiert. Oder die Stillleben präparierter Vögel, Echsen und Mineralien, die in den Archiven Naturhistorischer Museen lagern und darauf warten, der Öffentlichkeit gezeigt zu werden, finden Eingang in das ganz persönliche Bildarchiv der jungen Künstlerin.


Lena Oehmsen, „Blau“ aus der Serie Eiffelturm+ , 2014
Lena Oehmsen, „Blau“ aus der Serie Eiffelturm+ , 2014

Zentraler Bestandteil eines Smartphones ist eine Kamera, spätestens seitdem ist das Foto zum Massenartikel der Kultur- und Freizeitindustrie geworden. Darauf und auf der rasant wach­sen­den Ansammlun­g von Fotos im Internet – in jeder Minute entstehen 100.000 Digitalfotos – basiert die Ar­beit Eiffelturm+  von Lena Oehmsen (*1983), die am Image Arts Photography der Ryerson University in Toronto, Kanada, studiert hat. Mit zu Hilfenahme einfacher Ordnungs­prin­zi­pien untersucht die Hamburger Künstlerin die foto­gra­fischen Inszenierungsstrate­gien eines der welt­weit am meis­ten abgelich­te­ten Bau­wer­ke, dem Pariser Eiffel­turm. Geordnet nach Auf­fäl­ligkeiten im Hintergrund des Bauwerkes entsteht ein absurdes Archiv abstrakter Kompositionen, in denen das eigentliche Motiv mit dem Skalpell entfernt wurde. Die Leer- stelle wandelt das sonst mehrfach re­pro­du­zier­bare Foto zurück in ein Uni­kat. Ergänzt werden die vi­suel­len neu­en Samm­lun­gen mit Tex­ten, die sich aus Bild­be­schrei­bun­gen des Mo­tivs zu­sam­men­set­zen.

Christian Retschlag, „Herd“, 2012
Christian Retschlag, „Herd“, 2012

Auch heute noch haftet der Fotografie der Wahrheits-gedanke an. Das Foto als Beweis dafür, dass etwas existiert oder geschehen ist. Doch schon vor der Zeit der digitalen Bildbearbeitung darf man nicht alles glauben, was auf einem Foto zu sehen ist. Christian Retschlag (*1987) inszeniert Situationen und Begebenheiten und lässt den Betrachter im Unklaren, was ist real und was ist gestellt? Mit diesen grotesk konstruierten Geschehnissen bringt er Humor in das Medium Fotografie. Christian Retschlag, er ist wie Ina Hengstler Meisterschüler bei Prof. Dörte Eißfeldt an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig, gewann 2014 mit seiner Fotoarbeit »Aus der Reihe« den Marta Hoepffner-Preis für Fotografie. Dieser begehrte Preis für Schwarz-Weiß-Fotografie wird nur alle drei Jahre an Nachwuchsfotografen vergeben. Die Begründung der Jury: „In seiner fünfteiligen schwarz-weiß Bildserie spielt Christian Retschlag mit unterschiedlichen Genres, darunter Porträt, Stillleben und Architektur. Die Bildserie folgt weder einem chronologischen noch einem seriellen Ablauf, sondern jedes Einzelbild steht für sich losgelöst zum benachbarten Bild. Erst diese lose Kombination der Einzelbilder evoziert im Auge des Betrachters visuelle Freiräume und neue Bildwelten, die auf der Metaebene des „zweiten Blicks“ ihre ganz eigenen Geschichten erzählen.“

Erik Seth, „Kontaktabzüge“, 2013
Erik Seth, „Kontaktabzüge“, 2013

1986 in Gifhorn geboren, studiert Erik Arkadi Seth seit 2009 Freie Kunst in Braunschweig. Erik Seth hat Selfies, die Kunden eines Technikkaufhauses beim Ausprobieren von Smartphones beiläufig von sich gemacht haben, auf sein Handy geschickt und später in der Dunkelkammer belichtet. Durch den Abstand zwischen Handy-Display und dem Fotopapier kommt es zu der anonymisierenden Unschärfe der Bilder und verleiht den Fotos etwas magisch Unbestimmtes. In einer anderen eigens für die Ausstellung im Schloss Ritzebüttel erstellten Serie retuschiert er Fotografien mit Ansichten aus vorhergehenden Ausstellungen im Schloss und behängt die Wände mit Fotos von seinem (Abenteuer-)Urlaub in Südamerika neu. Das Foto als Dokumentation für eine Ausstellung, die es im Schloss jedoch nie gab.

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Die Reihe "Junge Fotografie im Schloss" wurde gefördert durch die Stiftung Niedersachsen.