Junge Fotografie im Schloss Ritzebüttel

"Seebäder - im Dialog" zum 200. Geburtstag Cuxhavens als Seebad mit Arbeiten von Janina Ahrendt, Laura Stöckel und Timo Jaworr

vom 4. September - 16. Oktober 2016

„Die ganze Küste der Ostsee ist mir unbekannt, und ich für mein Teil würde sie dazu nicht wählen, solange nur noch ein Fleckchen an der Nordsee übrig wäre, das dazu taugte, weil dort das unbeschreiblich große Schauspiel der Ebbe und Flut, wo nicht fehlt, doch nicht in der Majestät beobachtet werden kann, in welcher es sich an der Nordsee zeigt. […]“

 

  so forderte der Schriftsteller und Philosoph Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) bereits 1793 in seinem Aufsatz „Warum hat Deutschland noch kein großes öffentliches Seebad“, in Ritzebüttel, auf Neuwerk oder in Cuxhaven ein Seebad nach englischem Vorbild zu gründen. Doch erst der Hamburger Senator Amandus Augustus Abendroth (1767-1842), der von 1809-1811 und ein zweites Mal von 1814-1821 als Amtmann in dem damals noch zu Hamburg gehörendem Ritzebüttel tätig war, setzte Lichtenbergs Vorschlag am 24. Juni 1816, also vor 200 Jahren in die Tat um.

 

Ein Anfang war gemacht und Cuxhaven, heute die drittgrößte Stadt an der deutschen Nordseeküste kann sich seitdem mit dem Qualitätsmerkmal „Seebad“ schmücken. Kamen im ersten Jahr nach der Gründung 295 Gäste, um sich beim rauen Nordseeklima zu erholen, so verzeichnete die Stadt im letzten Jahr 3,5 Millionen Übernachtungen und eine halbe Million Tagesgäste. 

© Janina Ahrendt „Cuxhaven“ (2016)
© Janina Ahrendt „Cuxhaven“ (2016)

Das Seebad Cuxhaven ist geprägt durch seine Landschaft, die Menschen von weither anzieht. Was viele Besucher jedoch auf ihren gängigen Touristenpfaden nicht sehen:

Wie beeinflusst das Wasser das Leben der Menschen und wie beeinflussen sie das Wasser? Im Rahmen ihres Fotoessays reiste Janina Ahrendt in ihre Heimat zurück. 1992 in Cuxhaven geboren, hat sie ihr Studium mit einem BA im Bereich Fotografie an der Fachhochschule Dortmund bei den Professoren Dirk Gebhardt und Kai Jünemann abgeschlossen und studiert seit September 2015 an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst  Hildesheim/ Holzminden/Göttingen.


In der in den letzten Wochen eigens für die Ausstellung erstellten Serie beschäftigt sich Janina Ahrendt mit den unterschiedlichen Menschen aus und in Cuxhaven. Unabhängig deren Bekanntheitsgrads, des Berufstandes oder des Alters stellt sie in kurzen Geschichten verschiedene Charaktere vor. Wer sind die Personen? Wie wurden und werden sie durch die flache Landschaft mit dem weiten Horizont geprägt? In ihren Fotos zeigt die Künstlerin, beeinflusst durch ihre persönliche Beziehung zu Cuxhaven, einen einzigartigen Blick auf die Menschen und Orte. In Bildergeschichten bestehend aus Porträts, Landschaften und Stillleben stellt sie die Stadt und die Bewohner an der Elbmündung vor. 

© Laura Stöckel “Im Dialog – Seebad Cuxhaven” (2016)
© Laura Stöckel “Im Dialog – Seebad Cuxhaven” (2016)

Auch die Cuxhavenerin Laura Stöckel (geb.1988) bringt neue Arbeiten mit. Seit Beendigung ihrer Ausbildung bei dem Hamburger Fotografen Philipp Schmitz lebt sie wieder in ihrer Geburtsstadt und arbeitet als Freie Fotografin. 

 

In der Kunst beschäftigt sich Laura Stöckel vorrangig mit dem Thema Imperfection: Das vermeintlich nicht so schöne aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und sich einfach von den Farben und Strukturen faszinieren zu lassen. Dabei will sie eine andere Sichtweise auf ganz alltägliche Dinge zeigen und durch die Gegensätze, die auf ihrer eigenen Art besonders sind, beim Betrachter einen zweiten Blick fordern. Laura Stöckel stellt zwei Serien aus, die einen direkten Bezug zu ihrer Heimatstadt haben: eine Porträtserie von Cuxhavener Bürger/innen und deren Lieblingsorte in der Stadt sowie in Gegenüberstellung zu historischem Bildmaterial beliebter Postkartenmotive - wie z. B. dem alten Feuerschiff Elbe 1 - auch die nicht immer ganz perfekten Orte, oftmals fernab der üblichen Touristenpfade. 

© Timo Jaworr „Lost in Paradise“ (2013)
© Timo Jaworr „Lost in Paradise“ (2013)

Der Fotojournalist Timo Jaworr (geb. 1981 in Frankfurt am Main) studierte zunächst Sportwissenschaften in Mainz, Darmstadt und Frankfurt und ist seit September 2012 für das Studium Fotojournalismus und Dokumentar-fotografie an der Hochschule Hannover eingeschrieben. Seit 2005 ist er als freiberuflicher Journalist (Bild und Text) tätig und absolvierte u. a. ein mehr-monatiges Praktikum als Fotograf beim The Irrawaddy (Yangon / Myanmar).

 

Timo Jaworr zeigt seine Fotoserie „Lost in Paradise“ von 2013, einer ganz anderen Art von „Seebad“ speziell für den Pauschaltourismus. Die ägyptische Küstenstadt Hurghada – die weltberühmten Kulturschätze von Luxor sind nur einen Tagesausflug entfernt – ist der größte Urlaubsort am Roten Meer und wurde bis vor Kurzem ganzjährig von Touristen überrannt. Zumeist mit einem All inclusive-Paket ausgestattet, verlässt kaum einer der Urlauber die Hotelanlagen, die seit den 80er Jahren entlang der ca. 30 Kilometerlangen Küste entstanden sind. Wie vollausgestattete Städte mit einer Rundumversorgung von eigenem Strandabschnitt und Supermarkt, den Wellness- und Fitnessangeboten ragen die Hotelburgen abgeschottet vom Rest der Stadt hervor. „Lost in Paradise“ ist eine fotografische Spurensuche abseits der typischen Urlaubsromantik, bei dem der Fokus auf der unbeachteten Seite des vermeintlichen Paradieses liegt und die Brüche, Widersprüche und Ungereimtheiten aufgedeckt werden.